Pierre Béton und Megalithen (Text)

„Menhire und Dolmen, die rätselhaften prähistorischen Steine und ‚Tischplatten‘, bilden den überraschenden Schwerpunkt dieses jungen Malers. Ausgangspunkt für die Entdeckung der großartigen, frühen Formenwelt ist jedoch unsere ganz aktuelle Bauwelt. Gereon Heil hat den Blick für die monströsen Betonstützen und -platten, die – oft genug – als moderne Bauruinen völlig beziehungslos zur menschlichen Sinneswelt den noch verbleibenden Rest an Landschaft zerstören. Er vergleicht damit willkürlich oder unwillkürlich unser entseeltes Bauen mit dem der mythischen Künstler, die z.B. in kilometerlangen Linien ihre schweren Steine aufzustellen wussten.

Doch formuliert er daraus keine verbale Anklage gegen die heutigen Zyklopenmauern, sondern verbindet die beiden Bauwelten durch funktionale Bedeutungen. In beiden gibt es offensichtlich stützende und tragende Teile, wie das schon immer so war. Dass dabei die Ruinen der Gegenwart ein komplizierteres formales Repertoire aufweisen, ist in der differenzierteren Aufgabe begründet, was nebenbei gesellschaftliche Unterschiede überaus deutlich macht. Dagegen wirken die Einzelformen der Menhire interessanter. Die Sympathie in der Gegenüberstellung dürfte beim Betrachter eindeutig bei den prähistorischen Vorbildern liegen.

Für Gereon Heil, den an der formalen Bewältigung interessierten Künstler, geht es indessen darum, die monumentalen Strukturen beider Epochen zu vermischen: in den Menhiren das heutige Bauen vorwegzunehmen und im heutigen Bauen auf alte Gesetzmäßigkeiten hinzuweisen. Dies ist ein künstlerischer Standpunkt, den man begrüßen kann. Vor aller Kritik und Ideologie liegt die Erkenntnis der Tatsachen, des Verbindenden und das Verständnis für die funktionale Bedeutung. Gereon Heil hält sich damit ein weites Feld offen. Was an seiner jungen Kunst überdies auffällt, ist die beharrliche Lust an der Gewinnung der Einzelgestalt, an der plastischen Ausbildung der riesigen Steinfigurationen. Vor allem in der Darstellung der Menhire und Dolmen gelingen ihm psychisch bedrängende Überhöhungen. Bei den modernen Bauruinen beeindruckt das Nicht-Abgeschlossene, das Hinausragen und abrupte Aufhören von Platten und Röhren. In der Farbenpalette hat Gereon Heil identische Mittel zur Interpretation seines psychologisch-sachlichen Stils gefunden. Die vorherrschenden Grau-, Grün- und Brauntöne verbreiten ein fahles Licht, das den oft gespenstischen Eindruck der Szenerien wirkungsvoll unterstützt bzw. künstlerisch erzeugt. Alles in allem ein in sich stimmiges, instinktsicheres Kunstbild, dessen Entwicklung zu beobachten man sich gerne als Aufgabe stellt.“

Prof. Eugen Gomringer (1981),
aus: Die Welt steht kopf – le monde renversé,
Gereon Heil 1994, Seite 27-30